Infektionsschutz vs. Patient*innenbedürfnisse
Die Erhebungen weisen auf die Gefahr hin, dass die Bedürfnisse und Präferenzen vulnerabler, insbesondere schwerkranker und sterbender Menschen in Pandemiezeiten aus verschiedenen Gründen (u.a. erschwerter Kontakt zu den Patient*innen und den Angehörigen) übersehen werden können. Durch die PallPan-Studien wurden viele Faktoren identifiziert, die die Patient*innenaufklärung und Therapiezielgespräche einschränken:
- Kontakt- oder Besuchsbeschränkungen erschwerten den Kontakt zwischen Versorgenden und Patient*innen und ihren Angehörigen.
- Es herrschte Unsicherheit bei den Ärzt*innen bzgl. Hausbesuchen, klinischem Verlauf der (möglichen) Infektion, intensivmedizinischen Kapazitäten. Teilweise kam es zu suggestiver Kommunikation.
- Patient*innen waren verunsichert bzgl. der Infektionsgefahr beim Arztkontakt oder Hausbesuch durch die SAPV-Teams (Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung).
- Es kam zu Verzögerungen oder Ablehnung von palliativen Therapien (bspw. Chemotherapien, Bestrahlung) aufgrund der Kontakt- und Besuchseinschränkungen, die eine Einweisung ins Krankenhaus mit sich gebracht hätte.
- Die fehlenden Gespräche über Therapieziele und Behandlungspräferenzen führten immer wieder zu einem Mangel oder Überfluss an intensivmedizinischer Versorgung.
- Angehörige wurden über Therapiezieländerungen z.T. nicht in Kenntnis gesetzt.
- Aufgrund von Schnittstellenproblemen zwischen den verschiedenen Versorgenden kam es zu Mängeln in der Patient*innendokumentation. Auch fehlten häufig (aktuelle) Vorsorgedokumente wie z.B. eine Patient*innenverfügung oder es wurden keine Aussagen zur Therapie im Infektionsfall getroffen.
Es gilt einerseits den Einzelnen vor Infektion zu schützen und die Ausbreitung der Infektion in der Bevölkerung zu verhindern. Andererseits sind die Patient*innenbedürfnisse gerade in schwerer Krankheit und beim Sterben so wichtig und existentiell, dass ein Nicht-Nachkommen dieses Bedürfnisses nicht vertretbar ist. Der Bedarf an frühzeitigen und gut dokumentierten Gesprächen über Behandlungspräferenzen und Patient*innenverfügungen wird deutlich und wiederholt beschrieben.
Handlungsempfehlungen
Erfassung und Berücksichtigung des Willens der Patient*innen
Abwägung zwischen individuellen Bedürfnissen von Patient*innen und dem Infektionsschutz